Gesetzgebung
Bedeutung von Gesetzen
Gesetze sind Spielregeln für das Miteinander in unserer vielfältigen Gesellschaft.
Wir alle haben unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse. Damit diese möglichst in Einklang gebracht werden, braucht es Regeln, nach denen wir unser Zusammenleben gestalten – für alle tragbar und nachvollziehbar. Diese Regeln begegnen uns als Gesetze ständig im Alltag, ohne dass wir uns dessen immer bewusst wären: auf der Straße, in der Schule, in der Universität oder im Straßenverkehr. In unserer Gesellschaft gibt es fast keinen Bereich mehr, der nicht durch Gesetze geregelt ist. Das schafft Verlässlichkeit und Transparenz.
Rechtliche Regelungen gibt es auf ganz unterschiedlichen Ebenen: Gesetze regeln die Rechtsbeziehungen unter Bürgerinnen und Bürgern, zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Verwaltung, zwischen den Bundesländern und Bund und letztlich zwischen souveränen Staaten.
Gesetze schränken uns einerseits ein, enthalten viele verschiedene Verbote und Gebote. Andererseits schützen dieselben rechtlichen Vorschriften unsere eigenen Rechte, auch gegenüber dem Staat. So versucht die Rechtsordnung, die Spannungen zwischen den Rechten des Einzelnen und den Ansprüchen der Gemeinschaft ständig auszubalancieren.
Gesetzgebungskompetenz
Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern
Die Gesetzgebung gehört zu den elementarsten Aufgaben der Parlamente. Der Niedersächsische Landtag ist das Parlament Niedersachsens. Er verabschiedet die Gesetze, die im Bundesland Niedersachsen gelten. Das Land Niedersachsen ist aber wiederum Teil der föderal organisierten Bundesrepublik Deutschland. Die Landesparlamente und der Bundestag haben somit unterschiedliche Kompetenzen bei der Gesetzgebung. Grundsätzlich gilt: Die Länder haben das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz – anders ausgedrückt: die Bundesverfassung – dem Bund nicht explizit entsprechende Befugnisse zuweist. So ist es in Artikel 70 des Grundgesetzes bestimmt. Bei den Angelegenheiten, die ausschließlich den Bund betreffen, hat der Landtag kein Mitspracherecht. Dazu gehören beispielsweise die Außenpolitik, Verteidigung oder das Währungs- und Geldwesen.
Der Niedersächsische Landtag verfügt über eine eigene Gesetzgebungskompetenz auf folgenden Gebieten, wobei die Aufzählung nicht abschließend ist:
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Landes- und Kommunalverfassungsrecht
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Öffentliche Sicherheit und Ordnung (Polizeirecht)
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Schul- und Hochschulrecht
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Erwachsenenbildung
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Verwaltungsverfahren und Verwaltungsorganisation
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Denkmalschutz
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Naturschutz-, Wasser- und Abfallrecht in Ausfüllung oder Ergänzung von Bundesrecht
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Beamtenrecht in Ausfüllung von Bundesrecht
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Bauordnungsrecht
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Bereiche des Berufsrechts
In unserem föderalen System gibt es darüber hinaus einige Spezialformen der Gesetzgebung. Die sogenannte Abweichungsgesetzgebung erlaubt es den Bundesländern, von bestimmten Regelungen des Bundes im Bereich der Verwaltungsregelungen abzuweichen (Artikel 72 Absatz 3 Grundgesetz). Diese Befugnis der Länder erstreckt sich auf weite Teile des Umweltschutzes sowie das Recht der Hochschulzulassung sowie der Hochschulabschlüsse. Des Weiteren bestehen bundesrechtliche Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen, an deren Stelle die Bundesländer auch Gesetze erlassen können (Artikel 80 Absatz 4 Grundgesetz).
Die weitere gesetzgeberische Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern ist sehr komplex. Wie bereits erläutet, kann die Zuständigkeit für die Gesetzgebung grundsätzlich bei den 16 Bundesländern vermutet werden. Es sei denn, die Verfassung sieht es anders vor: Im Allgemeinen kann zwischen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Artikel 71 und 73 Grundgesetz) sowie der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Artikel 72 und 74 Grundgesetz) unterschieden werden.
Im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz nur, wenn sie hierzu ausdrücklich durch ein Bundesgesetz ermächtigt werden. Im Zuge der konkurrierenden Gesetzgebung können die Länder eigene Gesetze erlassen, und soweit der Bund von seinem Recht zur Gesetzgebung keinen Gebrauch macht. Eine genaue Auflistung der entsprechenden Gesetzgebungskompetenzen findet sich im Grundgesetz ab Artikel 70. Ein weiterer wichtiger Grundsatz in diesem Zusammenhang: Alle Gesetze, die von den Bundesländern jeweils selbst beschlossen werden, haben nur Geltung für das jeweilige Bundesland. Nur die Gesetze, die der Bund beschließt, sind für alle 16 Bundesländer bindend.
Neben der bundesdeutschen Ebene gibt es eine weitere: die europäische. Die Bundesrepublik Deutschland ist Teil der Europäischen Union (EU) – und das hat auch Einfluss auf die Kompetenzen des Niedersächsischen Landtages. Das Landesparlament erlässt Gesetze zur Anpassung und Umsetzung von unionsrechtlichen Verordnungen und Richtlinien.
Der Weg von der Idee bis zum fertigen Gesetz
Es braucht viel Zeit, bis aus einer politischen Idee ein konkretes Gesetz wird. Aus guten Gründen: Die intensive Beratung eines Gesetzentwurfes im Plenum sowie in den Fachausschüssen sorgt für Qualität; durch den aufwendigen Gesetzgebungsprozess kann eine Vielzahl von Meinungen und Interessen einbezogen werden – um am Ende ein möglichst wirksames Gesetz zu verabschieden. Im Folgenden sind die verschiedenen Stationen auf dem langen Weg zum fertigen Gesetz erläutert.
Wie alles beginnt
Entwürfe für Landesgesetze können aus der Mitte des Landtages, von der Landesregierung oder durch ein Volksbegehren eingebracht werden. Die Initiierenden leiten den Entwurf an die Landtagsverwaltung, die ihn als Landtagsdrucksache frei zugänglich veröffentlicht und verteilt. Um vorschnelle Entscheidungen bei der Gesetzgebung zu vermeiden, behandelt der Landtag jeden Gesetzentwurf grundsätzlich in zwei Beratungen. Eine dritte Beratung ist möglich, wenn weitere Änderungsanträge der Fraktionen vorliegen. Die meisten Gesetzentwürfe werden von der Landesregierung oder von den Fraktionen eingebracht.
Startschuss durch das Volk
Die Mitglieder des Landtages sind Vertreterinnen und Vertreter aller Menschen in Niedersachsen. Doch um einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, müssen die Bürgerinnen und Bürger nicht auf das Parlament warten: In der Niedersächsischen Verfassung finden sich Instrumente direkter – fachlich ausgedrückt: plebiszitärer – Demokratie. Durch ein Volksbegehren können die Bürgerinnen und Bürger den Gesetzgebungsprozess selbst starten. Ein Volksbegehren, verankert in Artikel 48 der Landesverfassung, zielt unmittelbar darauf ab, ein Landesgesetz zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben. Davon ausgenommen sind beispielsweise Gesetze über den Landeshaushalt, dies obliegt ausschließlich dem Parlament. Ein Volksbegehren kommt zustande, wenn zehn Prozent der niedersächsischen Wahlberechtigten — das sind aktuell etwa 600.000 — es unterstützen. Die Landesregierung entscheidet, ob das Volksbegehren zulässig ist; im Zweifelsfall können die Initiierenden den Staatsgerichtshof anrufen.
Qualität und Teilhabe brauchen Zeit
Ein wirksames Gesetz gibt es nicht im Schnellverfahren – Qualität, sorgsame Abwägung und vielseitige Einbindung brauchen Zeit. Das zeigt bereits ein erster Blick auf die verschiedenen Stationen im Gesetzgebungsprozess: Ein Entwurf für ein Gesetz muss mehrere Beratungen (Lesungen) in den Ausschüssen und im Plenum des Landtages durchlaufen. In den Ausschüssen bearbeiten die Fachleute – spezialisierte Abgeordnete – der einzelnen Fraktionen einen Gesetzentwurf in all seinen Details. Der Ausschuss, dem ein Gesetzentwurf zur Beratung überwiesen wurde, legt dem Landtag abschließend eine konkrete Beschlussempfehlung vor. Nachdem das Plenum zum zweiten Mal, in bestimmten Fällen sogar zum dritten Mal, den Entwurf beraten hat, stimmt das Landtagsplenum ab. Die Landtagspräsidentin oder der Landtagspräsident fertigt anschließend das verabschiedete Gesetz mit Unterschrift aus. Beschlossene Gesetze — oder auch Gesetzesänderungen — verkündet die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt. Erst nach der Verkündung treten sie in Kraft.
Erste Beratung (Lesung) im Plenum
Die erste Beratung eines Gesetzentwurfs im Plenum des Landtages kann stattfinden, nachdem der Beratungsgegenstand auf die Tagesordnung einer Plenarsitzung gesetzt wurde. Darüber beraten alle Fraktionen im Ältestenrat etwa eine Woche vor dem nächsten Plenum. Warum braucht es überhaupt ein neues Gesetz? Ist das Ausgangsproblem korrekt beschrieben? Welche Aspekte gilt es zu bedenken? Die erste Beratung im Plenum ist in der Regel eine sehr grundsätzliche Debatte. Am Ende dieser sogenannten Generaldebatte stimmen die Abgeordneten nur darüber ab, an welche Ausschüsse der Entwurf zur weiteren Beratung überwiesen werden soll und welcher von ihnen der federführende Ausschuss ist. Die Zuordnung erfolgt grundsätzlich thematisch: Fragen des Umweltschutzes gehen an den Umweltausschuss, Fragen zu den Kompetenzen der Landespolizei an den Innenausschuss. Und so weiter. Nur auf Antrag derjenigen, die den Entwurf eingebracht haben, überweist die Präsidentin oder der Präsident diesen direkt an einen Ausschuss – zum Beispiel, wenn die Verabschiedung eines Gesetzes besonders dringlich ist. In diesem Fall tritt an die Stelle einer Beratung im Plenum eine öffentliche Erörterung im federführenden Ausschuss.
In der parlamentarischen Werkstatt: Ausschussberatungen
In den Ausschüssen beraten die Fachpolitikerinnen und -politiker intensiv über das Gesetzesvorhaben. Die inhaltliche Hauptarbeit findet hier, in den "Werkstätten des Parlaments" statt. Nach abgeschlossener Beratung gibt der Ausschuss eine Beschlussempfehlung, den Entwurf unverändert oder mit bestimmten Änderungen anzunehmen, ihn abzulehnen oder ihn für erledigt zu erklären. Wurden mehrere Ausschüsse mit der Beratung beauftragt, so legt der federführende Ausschuss die Beschlussempfehlung vor. Darin können auch jene Anregungen Berücksichtigung finden, die von den Vertreterinnen und Vertretern der Oppositionsfraktionen angebracht werden. Denn die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen fällt umso größer aus, je mehr die Anliegen der Minderheit beachtet werden.
Zweite Beratung im Plenum und Abstimmung
Die zweite Beratung im Plenum gilt den Einzelheiten des Entwurfs, auf Grundlage der Empfehlungen aus den Ausschüssen. Dabei ruft die Landtagspräsidentin oder der Landtagspräsident jeden einzelnen Teil des Gesetzentwurfs auf, der für sich behandelt werden soll. Am Ende der zweiten Beratung kann das Plenum den Entwurf als Ganzes oder Teile davon wieder an einen Ausschuss überweisen. Auf dessen Beratung folgt eine neue Beschlussempfehlung und danach eine dritte Beratung im Plenum. Eine dritte Lesung soll im Interesse einer rationellen Gesetzesberatung aber möglichst nur dann geschehen, wenn Änderungsanträge vorliegen. Verzichtet der Landtag darauf, den Entwurf ein weiteres Mal an einen Ausschuss zu überweisen, stimmen die Abgeordneten nach der zweiten Beratung über den Gesamtentwurf ab – und das Gesetz kann ausgefertigt und verkündet werden.
Einfluss auf Bundesebene
Das Bundesland Niedersachsen wirkt über den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes mit. Bestimmte Gesetze — solche, die das Grundgesetz ausdrücklich benennt, weil davon ausgegangen wird, dass sie die Interessen der Länder betreffen – bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Diese Gesetze nennt man Zustimmungsgesetze. In allen anderen Bereichen hat der Bundesrat zumindest die Möglichkeit des Einspruchs, nämlich bei den sogenannten Einspruchsgesetzen. Der Bundesrat kann außerdem eigene Gesetzesvorlagen einbringen und zu Gesetzesvorlagen des Bundestages und der Bundesregierung Stellung nehmen.
Niedersachen ist mit sechs Mitgliedern im Bundesrat vertreten. Diese sechs Mitglieder werden von der Landesregierung in den Bundesrat entsandt und müssen ihre Stimmen im Bundesrat einheitlich abgeben. Im Bundesrat kommen somit Repräsentantinnen und Repräsentanten der Landesregierungen, nicht der Landesparlamente zusammen. Die Anzahl der Mitglieder je Bundesland richtet sich nach der Einwohnerzahl des jeweiligen Bundeslandes.
Ausführliche Informationen zum Thema Föderalismus und Bundesrat finden sich auf der Internetseiten des Bundesrates.