Die Geschichte des Lagers begann 1935: Damals wurden der Truppenübungsplatz Bergen und umfangreiche Kasernen für die Wehrmacht errichtet – sie dienten der Kriegsvorbereitung. Die Baracken der Bauarbeiter verwandte die Wehrmacht anschließend für Kriegsgefangene. Im April 1943 übernahm dann die SS einen Teil des Geländes und nutzte es als Konzentrationslager. Zunächst brachte sie vor allem jüdische Häftlinge hier unter, die gegen im Ausland internierte Deutsche getauscht oder gegen materielle Gegenleistungen freigelassen werden sollten.
Ab dem Frühjahr 1944 brachte die SS zusätzlich nicht mehr arbeitsfähige männliche Häftlinge aus anderen Konzentrationslagern hier unter, von denen sehr viele starben. Hinzu kamen Frauen, die an anderen Orten in Deutschland Zwangsarbeit leisten sollten. Ab Ende 1944 wuchs die Zahl der Häftlinge an, da diese aus frontnahen Konzentrationslagern nach Bergen-Belsen gebracht wurden. Vor allem Hunger und Seuchen forderten allein im März 1945 mehr als 18.000 Opfer. Am 15. April 1945 befreiten britische Truppen das Lager. Von insgesamt 120.000 Häftlingen aus fast allen Ländern Europas starben hier mehr als 52 000 Männer, Frauen und Kinder.
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Ausstellungen über die Opfer des Nationalsozialismus sollen vielen Anforderungen gerecht werden: berühren wie informieren und für Jugendliche verständlich sein. Wie die Gedenkstätte Bergen-Belsen dies mit der aktuellen Sonderausstellung „Kinder im KZ Bergen-Belsen“ umsetzt, zeigte Leiter Dr. Jens-Christian Wagner der Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Andretta zu Beginn ihres Besuches. Die Ausstellung erzählt die Geschichte der etwa 3.500 Kinder unter 15 Jahren, die im KZ Bergen-Belsen inhaftiert waren. Jedes Einzelschicksal weist auf Hintergrundthemen hin, die die einzelnen Abschnitte der Ausstellung bilden: Wie lebten die Kinder im Lager? Wie verhielten sie sich? Gewalt, Angst, Hunger, Krankheit und Sterben werden angesprochen. Und die Ausstellung berichtet, was nach der Befreiung des Lagers durch die Briten geschah und wie das Leben der überlebenden Kinder weiterverlief.
Zeitzeugen kommen per Videos zu Wort. Einige wenige Überlebende haben auch Erinnerungsstücke zur Verfügung gestellt, die etwas über ihre Haft in Bergen-Belsen erzählen, so ein Kinderschuh oder eine Puppe.
„Wir wollen ein kritisch-historisches Bewusstsein fördern und den Jugendlichen keine geschichtliche Mastererzählung vorgeben. Und wir wollen stärker in die Gesellschaft hineinwirken.“
Dr. Jens-Christian Wagner, Leiter Gedenkstätte Bergen-Belsen
Damit Lehrerinnen und Lehrer die Themen der Ausstellung im Unterricht vertiefen können, hätten sie eine Box mit 239 großen Karten entwickelt, erklärte Wagner. Mit diesen könnten die Klassen sich weitere Informationen erarbeiten und die Schülerinnen und Schüler auch eine Brücke zu ihrem eigenen Leben schlagen. Marc Ellinghaus, Leiter der Abteilung Bildung und Begegnung in Bergen-Belsen, betonte: „Wir möchten, dass die Jugendlichen ein begründetes Urteil entwickeln.“ Das sei im Rahmen der nur wenige Stunden umfassenden Besuche eine Herausforderung. Die Nachfrage der Schulen nach Besuchen sei aktuell sehr groß – 1100 Gruppen pro Jahr. Gerade für zeitintensive Formate fehlten ihnen Seminarräume.
Eine mögliche Verbesserung stellte Wagner vor: Die Gedenkstätte möchte in Zukunft gerne ein Gebäude der nahegelegenen Kaserne in Bergen übernehmen. Dies sei aus zwei Gründen interessant: Einmal ließe sich inhaltlich der Rahmen der Gedenkstätte vertiefen, war doch dort einst das DP-Camp von 1945 bis 1950 untergebracht (mehr Informationen). Außerdem gehöre die Kaserne mit zu den Voraussetzungen, warum das KZ Bergen-Belsen entstanden sei: Die Kriegsvorbereitungen der Nationalsozialisten könnten so thematisiert werden. Zum anderen biete das Gebäude genügend Platz im Obergeschoß, um zusätzliche Seminarräume zu schaffen. Schließlich sei mit dem Kasernengebäude – im Gegensatz zum derzeitigen Gedenkstättengelände – historische Bausubstanz aus der NS-Zeit vorhanden. Der Wunsch der Gedenkstätte nach Nutzung des Gebäudes werde von den zuständigen Stellen aktuell geprüft; voraussichtlich werde man das Gebäude Anfang 2019 beziehen können.
Mehr Platz für den Dialog sei wichtig, gerade mit Blick auf das aktuelle „rauere erinnerungspolitische Klima“, welches Wagner feststellt. Er bemerke gerade bei den 30- und 40-Jährigen, dass deren Bezug zum Nationalsozialismus nachlasse. Das zeige sich auch in Sachen des ehrenamtlichen Engagements: Den meist in den 1980er Jahren gestarteten Initiativen zur Aufarbeitung der NS-Geschichte fehlten die Nachfolger. Die Gedenkstätte habe sich daher entschlossen, mit der Stadt Bergen im Rahmen des Projektes „Partnerschaft für Demokratie“ zu kooperieren, um mehr Jugendliche für die historisch-politische Bildung zu gewinnen. Im September 2017 sei daraus das Jugendforum Bergen entstanden (mehr dazu). Die 14- bis 27-Jährigen hätten schon eine Demokratiekonferenz in ihrer Heimatstadt organisiert und sich vielen weiteren Themen angenommen.
Eine Frage, machte Dr. Wagner deutlich, halte er für besonders wichtig für die jüngere Generation, wenn sie sich mit dem Nationalsozialismus beschäftige: „Wie funktionierte der Nationalsozialismus als radikal rassistische Gesellschaft? Warum haben so viele Deutsche bereitwillig mitgemacht?“ Gründe sind aus seiner Sicht, dass die Gesellschaft sich während des Nationalsozialismus schleichend an diesen gewöhnte. Ebenso habe das Regime an bereits vorhandene rassistische, antisemitische und autoritäre Diskurse angeknüpft. Viele hätten selbst profitiert, Aufstiegshoffnungen gehegt. Vor allem aber die Kriminalisierung der Opfer habe eine große Rolle gespielt. Diese seien als eine Gefahr für die Gesellschaft hingestellt worden, was die Mitmachbereitschaft gefördert habe. Wichtige Themen, um heute und in Zukunft weiter darüber zu reden, fand ebenso Andretta.