Die Gedenkstätte Esterwegen ist ein europäischer Gedenkort. Er erinnert an alle 15 Emslandlager und ihre Opfer. 1933 entstanden in Börgermoor und Esterwegen die ersten KZ-Muster-Barackenlager im Deutschen Reich. Esterwegen war zunächst für 1.000 Gefangene ausgelegt und wurde aber stetig erweitert. Unter den Häftlingen befanden sich neben politischen weitere vom NS-Regime Verfolgte. Ab 1937 bis Kriegsende wurde es zum Strafgefangenenlager umgewandelt und dem Justizministerium unterstellt. Die Häftlinge waren in der Regel aus politischen, sozialrassistischen und kriminellen Gründen inhaftiert, ab 1939 befanden sich in Esterwegen viele durch Wehrmachtgerichte Verurteilte. Ihnen folgten die streng abgesonderten „Nacht- und Nebel“-Gefangenen, Widerstandskämpfer aus Westeuropa.
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Erinnerung muss in der eigenen Region beginnen. Wer im Emsland aufwächst, sollte die Gedenkstätte Esterwegen kennen – findet deren Landrat Reinhard Winter. Er begrüßte die Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Andretta im Besucherinformationszentrum der Gedenkstätte mit den Worten: „Jedes Kind, das im Emsland die Schule verlässt, muss einmal hier gewesen sein.“ Der Kreistag habe einst einstimmig beschlossen, das von der Bundeswehr aufgegebene Gebäude zu übernehmen und eine Gedenkstätte einzurichten – und das auf Dauer. 2011 war der aufwändig gestaltete Umbau fertig. Erinnerungsarbeit als kommunale Aufgabe, das ist in der Gedenkstättenlandschaft in Niedersachsen nicht alltäglich. Winter ist nicht nur Landrat, sondern auch Vorsitzender des Stiftungsvorstandes der Gedenkstätte. Eine Entscheidung für die Zukunft, so Winter: Sie wollten ganz bewusst kein Museum sein, sondern die Erinnerung bewahren als „wichtige Mahnung für die Gegenwart“. Denn, wie habe der Friedensnobelpreisträger und KZ-Häftling in Esterwegen, Carl von Ossietzky, den Nachgeboren mit auf den Weg gegeben: „Ein Deutschland, das an uns denkt, wird ein besseres Deutschland sein.“
Mittlerweile seien sie anerkannter außerschulischer Lernort, schon mehr als 50.000 Schülerinnen und Schüler hätten den Ort besucht, nahezu alle emsländischen Schulen kämen regelmäßig. Es würden stetig mehr Schülerinnen und Schüler, auch aus anderen Bundesländern, gar aus dem Ausland, schloss der Landrat. Andretta zeigte sich beeindruckt und stellte fest: „Dass der Landkreis sich verpflichtet, die Gedenkstätte einzurichten, ist nicht selbstverständlich und ein starkes Bekenntnis, das unseren Respekt verdient.“
Das Konzept veranschaulichte dann Dr. Andrea Kaltofen, Geschäftsführerin der Stiftung Gedenkstätte mit einem Weg ins Außengelände. Ein stählerner Steg führt vom Besucherinformationszentrum hin zur ehemaligen Lagerstraße.
Bereits hier könnte der ein oder andere stutzen: Am Rande des Stegs ist die unterste Schale eines Springbrunnes zu sehen. Wie kann ein solcher Teil eines Lagers sein? Kaltofen klärt auf - er sollte die Wachmannschaft erfreuen. Wenige Meter weiter dann der Gegensatz, die Baracken der Häftlinge: einfach, nicht isoliert, die Gefangenen schliefen auf Strohsäcken in mehrstöckigen Gestellen aus Holz oder Metall. Nur noch Baureste sind im Boden erhalten geblieben und nun am Rande des Weges freigelegt. Mit den Jahren werden sie verwittern, erklärte Kaltofen, das sei auch das Konzept – nicht in das Vergehen einzugreifen. Oder etwas zu rekonstruieren.
So sind die Baracken bereits Jahrzehnte abgerissen. Neue aufzubauen, so die Geschäftsführerin, sei nicht in ihrem Sinne gewesen. Um die Blöcke sichtbar zu machen, hätten sie Hecken gepflanzt und in der Dauerausstellung die Einzelteile einer aufgefundenen Baracke aufgestellt. Lernen mit Objekten, das gehöre zum Konzept der Gedenkstätte. Selbst ein Stromverteilungskasten könne ein Aufhänger sein, sich mit der Situation im Lager zu beschäftigen. „Was haben sie dagelassen?“, sei eine wichtige Frage für die Besucherinnen und Besucher.
So setzten sie in der pädagogischen Arbeit mit der jungen Generation ebenso auf zurückgelassene Dinge der Häftlinge wie kleine geschnitzte Figuren oder einen Rosenkranz. Dies sei eine Aufforderung für die Jugendlichen, sagte Kaltofen: „Erzähle deine Geschichte, wir erzählen unsere.“ Das hole diese dort bei ihrem eigenen Wissen ab. Eine Klasse der Heinrich-Middendorf-Schule in Aschendorf habe sich derart angesprochen gefühlt, dass sie sich ein ganzes Jahr mit dem Schicksal der Häftlinge beschäftigt habe. Die mühsame Arbeit habe die Jugendlichen sehr gefordert, der Erfolg sei aber beeindruckend gewesen. Solche Formate, betonte Kaltofen würden sie gerne ausbauen, nur bräuchten sie dazu mehr pädagogisches Personal.