In der Region Osnabrück befinden sich zwei Erinnerungsorte, die durch ihre Vorgeschichte im Nationalsozialismus eng miteinander verbunden sind: die Gedenkstätte Gestapokeller im Schloss in der Stadt Osnabrück und die Gedenkstätte Augustaschacht in Gebäuden des früheren Arbeitserziehungslagers Ohrbeck in Hasbergen im Landkreis Osnabrück. Beide sind nur ca. neun Kilometer voneinander entfernt. Die Gestapostelle Osnabrück wies die Häftlinge in das AEL Ohrbeck ein und bestimmte über ihre Lebensbedingungen. Im Arbeitserziehungslager Ohrbeck waren von Januar 1944 bis zum Kriegsende 1945 mehr als 2.000 Menschen aus 17 Nationen inhaftiert, die unter dem Kommando der Gestapo zur Arbeit im angrenzenden Eisenhüttenwerk, zur Trümmerbeseitigung und Minenräumung gezwungen wurden. Viele von ihnen verloren ihr Leben.

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Eine Gedenkstätte, die an den Nationalsozialismus erinnert, innerhalb einer Universität – das gibt es selten. In Osnabrück kommen die Studentinnen und Studenten fast jeden Tag an dieser vorbei. Sie liegt im Westflügel des Schlosses, in dem sich die Verwaltung ihrer Universität befindet.

Dr. Gabriele Andretta (v.l.), Professorin Dr. Martina Blasberg-Kuhnke, Brigitte Lenz-Gust, Georg Hörnschemeyer und Dr. Michael Gander
Dr. Gabriele Andretta (v.l.), Professorin Dr. Martina Blasberg-Kuhnke, Brigitte Lenz-Gust, Georg Hörnschemeyer und Dr. Michael Gander. (© Waske)
Die Erinnerungstafel an der Wand des Osnabrücker Schlosses
Die Erinnerungstafel an der Wand des Osnabrücker Schlosses. (© Waske)
Dr. Gabriele Andretta (v.l.), Dr. Michael Gander und Professorin Dr. Martina Blasberg-Kuhnke in der ehemaligen Haftzelle
Dr. Gabriele Andretta (v.l.), Dr. Michael Gander und Professorin Dr. Martina Blasberg-Kuhnke in der ehemaligen Haftzelle. (© Waske)

Seit 1995 weist eine Gedenktafel an der Außenwand des Schlosses darauf hin, dass an diesem Ort die Gestapo Menschen einst inhaftierte, brutal verhörte und in Konzentrations- oder Zwangsarbeiterlager weiterleitete. Fünf Haftzellen im Keller standen der politischen Polizei dazu zur Verfügung. 2001 eröffnete an dieser Stelle die Gedenkstätte Gestapokeller. Getragen wird sie von einem Verein, der aus einer Initiative der Universität und Osnabrücker Bürgerinnen und Bürgern heraus entstand. Der Verein betreibt ebenso die wenige Kilometer entfernt liegende Gedenkstätte Augustaschacht, ein ehemaliges Arbeitserziehungslager der Gestapo-Stelle Osnabrück. Geschäftsführer beider Erinnerungsorte ist Dr. Michael Gander.

Er wollte der Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Andretta zunächst den Gestapokeller zeigen mit seiner Ausstellung zur Geschichte der politischen Polizei, ihrer Mitarbeiter und Häftlinge. Diese wird in den kommenden Jahren ganz neu konzipiert, erklärte er ihr. Sowohl in Osnabrück als auch in Hasbergen sollen bis April 2020 neue Dauerausstellungen entstehen. 564.000 Euro übernimmt der Bund, 451.500 Euro das Land; die Kommunen sowie Stiftungen der Region steuern 112.500 Euro bei.

Die neue Präsentation soll vor allem das Handeln der Gestapo im Regierungsbezirk Osnabrück und ihr Verhalten gegenüber Zwangsarbeitern in den Mittelpunkt stellen. Im Gestapokeller, so Gander, solle sichtbarer werden, wie neben den Verhören Verbrechen bürokratisch geplant worden seien. Die Räume im Osnabrücker Schloss seien eine Transitstation innerhalb der NS-Verfolgung gewesen. Daher müssten deren Beziehungen deutlicher werden.

Warum die Gestapo-Mitarbeiter wie selbstverständlich agiert hätten, würde viele Jugendliche bei ihren Besuchen thematisieren, erzählte Georg Hörnschemeyer, Vorsitzender des Trägervereins. „Wie wird man das, Gestapo-Mitarbeiter?“, würden sie ihn fragen. Die Männer wären der Logik ihrer Dienstlaufbahn gefolgt, würde er antworten. Gander wies auf ein Foto auf einer der Ausstellungstafeln: Es zeigt ganz normal wirkende Männer mittleren Alters, die ausgelassen bei einander sitzen, nur wenige Frauen und ein Kind sind dabei. Dies sei eine Art Betriebsfeier der Gestapo, klärte der Geschäftsführer auf.

Dr. Gabriele Andretta und Dr. Michael Gander vor der Gedenkstätte Augustaschacht
Dr. Gabriele Andretta und Dr. Michael Gander vor der Gedenkstätte Augustaschacht. (© Waske)

Wenige Schritte weiter führte er die Landtagspräsidentin in die mit einer schweren Tür versehene ehemalige Haftzelle. Die beklemmende Enge vermittle, was Filme und Bücher nicht leisten könnten, unterstrich Hörnschemeyer: Der Ort spreche für sich, sei authentisch. In der neuen Dauerausstellung sollten auch Zitate von Überlebenden in der Zelle zu hören sein, die die Eindrücke noch vertieften.

Viele Jugendliche besuchen auch die andere Erinnerungsstätte des Vereins – den Augustaschacht. Dazu braucht es ein paar Fahrtminuten, dann ragt ein hohes Backsteingebäude aus dem Wald heraus. 1876 erbaut, diente es zunächst als Pumpstation für das ehemalige Erzbergwerk. 1944 errichtete die Gestapo hier ein Arbeitserziehungslager. Zuvor hatte es als bereits Kriegsgefangenen-und Zwangsarbeiterlager gedient.

An seinen Wänden sind tiefschwarze, an den Enden spitz zulaufende, Hölzer angebracht. Wozu diese dienen? Gander erklärte: Vor allem um erst einmal zu stutzen, nachzudenken, was es damit auf sich haben könnte. Es handele sich um eine Kunstinstallation aus verbrannten Baumstämmen und Metallplatten von Volker Johannes Trieb, die Raum für Deutungen lasse. Mehrere Kunstwerke lassen sich im Außenbereich entdecken, die ganz unterschiedlich Krieg und Unterdrückung thematisieren.

Dr. Michael Gander, Alice Graschtat, ehemalige Landtagsabgeordnete und Dr. Gabriele Andretta in der Sonderausstellung „Warum schreibst du mir nicht?“
Dr. Michael Gander, Alice Graschtat, ehemalige Landtagsabgeordnete und Dr. Gabriele Andretta in der Sonderausstellung „Warum schreibst du mir nicht?“ (© Waske)

Mit beiden Themen ist das ehemalige Straflager verbunden: Hier sollten Andersdenkende und politische Gegner mit kräftezehrenden Arbeitseinsätzen diszipliniert werden. Sie wurden aber auch wegen ihrer Herkunft und Religion verschleppt und im Lager eingesperrt. Die Gestapo kooperierte dabei eng mit den Firmen, die die Häftlinge nutzten – in diesem Fall den Klöckner-Werken. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen waren für die Menschen aus 17 Nationen so hart, dass viele den Aufenthalt nicht überlebten.

Im Inneren des Gebäudes sind eine Dauer- und eine Wechselausstellung zu sehen. Zudem lassen sich Spuren aus der Vergangenheit des Arbeitserziehungslagers entdecken, die Bauhistoriker und Archäologen mit Hilfe von jungen Menschen aus vielen Ländern freigelegt haben: die Latrinen, den Lagereingang und das benachbarte Wohnhaus deutscher Familien.

Vor allem aber bietet das Gebäude Platz für Gespräche mit Zeitzeugen, Workshops, Begegnungsprojekte und Sommerlager. Aus vielen Ländern kommen Jugendliche hierher, berichtete Gander. Die Gedenkstätte kooperiere mit regionalen wie internationalen Gruppen, so der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, der Christlichen Arbeiterjugend Osnabrück oder der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe e.V., dem Service Civil International. Die neue Dauerausstellung sei daher auch dreisprachig: auf Deutsch, Englisch und Niederländisch. So könnten Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen Nationen gemeinsam lernen. Andretta bemerkte dazu: „Es ist sicher spannend, wenn diese ihre unterschiedlichen Blickwinkel auf die Geschichte einbringen können. “Erinnern, forschen, lernen, begegnen, zusammenarbeiten – all dies fragten Schulen verstärkt nach. So gab Gander einen Wunsch an die Politik weiter: Für seinen Bildungsauftrag brauche er die Mittel für einen pädagogischen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin.