Ausstellung „Können wir gemeinsam... ?“

Titelplakat der Ausstellung: „Können wir gemeinsam ...?“

Unsichtbare Barrieren

Die Teilhabe von Betroffenen mit Reizüberflutung, Panik und Angst

Aushalten, alle anderen schaffen es ja auch, bitte keine Extrawurst – Diese Art von Aussagen hörten wir von Personen mit einschränkenden Barrieren. Nur kann man ihre Barrieren von außen nicht sehen. Wir haben uns intensiv mit den komplexen Zusammenhängen der Auslöser von unsichtbaren Barrieren beschäftigt und intime Gespräche mit Betroffenen sowie eine*r Expert*in geführt.

 

Mitwirkende

Lea Sofia Fichtner  |  Maya Grylla

 

Entstanden innerhalb des Projektes „Können wir gemeinsam... “  im Rahmen des  Jahresthemas in Kooperation mit der HAWK (Hochschule für angewandte Wissenschaften und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen). Die Autorinnen und Autoren des Projektes sind verantwortlich für die Inhalte.

Zusammenhang Reizüberflutung und Teilhabe an demokratischen Prozessen (© Lea Sofia Fichtner und Maya Grylla)
Ergebnisse einer von uns gestellten Umfrage mit etwa hundert Teilnehmende
Ergebnisse einer von uns gestellten Umfrage mit etwa hundert Teilnehmende (© Lea Sofia Fichtner und Maya Grylla)

Ist-Zustand

Nicht alle Barrieren sind auf den ersten Blick erkennbar. Manche entstehen im Inneren des Menschen. Die Sinne werden überlastet und es kommt zu einer Reizüberflutung bis hin zu Angstzuständen und Panikattacken. Letztlich ist die Teilhabe am öffentlichen Leben erschwert.

Jeder Mensch kann eine Reizüberflutung erleben und betroffen sein. Es gibt allerdings bestimmte Eigenschaften oder Krankheiten, die einen noch schneller an diesen Punkt bringen. Darunter fallen neurodiverse und hochsensible Menschen, Menschen mit Depressionen und Angststörungen, welche gleichzeitig oft miteinander einhergehen.
18 Mio. Menschen in Deutschland haben eine psychische Erkrankung.1 Der größte Trigger für diese Krankheiten sind Stress und Hektik im Alltag.2 Angststörungen und Depressionen machen den Großteil dieser Erkrankungen aus.3

„Ich glaube, das ist nicht die Schuld vom öffentlichen Raum […] sondern das ist ja so ein bisschen mein Problem. Aber ja, ich bin durch die Angst sehr eingeschränkt.“ sagte eine betroffene Person mit Panikattacken zu uns. Betroffene gehen oftmals davon aus, ihre unsichtbare Barriere sei ihr eigenes Problem, meiden viele Orte und halten ihre Symptome einfach aus und verschlimmern so ihre Situation. Dabei werden ihre Einschränkungen in vielen Fällen erst durch unsere reizüberflutende und stressstiftende Umgebung und damit durch den öffentlichen Raum ausgelöst. Menschenmassen, öffentliche Verkehrsmittel und Bahnhöfe haben sich als die belastendsten Situationen herausgestellt. Betroffene fühlen sich oft hilflos.

Reizüberflutung bedeutet Stress. Stress macht unseren Körper krankheitsanfälliger und hebt die Wahrscheinlichkeit für Depressionen und Angststörungen. Chronischer Stress verursacht chronische Krankheiten, welche die Lebensenergie stark mindern. Betroffene brauchen ihre gesamte Energie, um ihren Alltag zu manövrieren, bis keine Energie mehr für andere Themen bleibt. Der Weg in die Wahlkabine wird zur Herkulesaufgabe. Und die Stimme bleibt ungehört.

 

Unser Lösungsansatz

Es gibt bereits einige Ansätze, Betroffenen die Teilhabe in unterschiedlichen Bereichen des Lebens besser zu ermöglichen. Beispiele sind die stillen Stunden in Einkaufsläden, Ruhebereiche in öffentlichen Verkehrsmitteln, oder Early Boardings, Triggerwarnungen und Abholservices bei Kulturveranstaltungen4. Leider sind diese Ansätze weder weit verbreitet noch sehr bekannt. Wir sehen es deshalb als sinnvoll, Betroffenen eine Übersicht an die Hand zu geben, in welcher alle bereits existierenden Möglichkeiten aufgelistet werden.

Was fehlt ist Aufklärung. Es ist uns ein Anliegen, Betroffenen die Rechercheergebnisse, die wir erlangt haben, näherzubringen. Sie sind nicht allein, sie werden gesehen und es gibt Möglichkeiten, sie zu unterstützen. Dies sehen wir als ersten Schritt, um in der Zukunft weitere Hilfestellungen möglich und bekannter zu machen.

Derzeit arbeiten wir an der Konzeption einer Guerilla Kampagne, um Betroffene im öffentlichen Raum abzuholen. Über einen QR-Code geben wir Zuschauern der Ausstellung die Möglichkeit, durch eine Umfrage aktiv an der Weiterentwicklung unseres Projektes mitzuwirken. Unter diesem Link können Sie teilnehmen und uns unterstützen: Zur Umfrage

Zitat einer betroffenen Interviewpartner*in
Zitat einer betroffenen Interviewpartner*in (© Lea Sofia Fichtner und Maya Grylla)

Fußnoten:

1 Grauzone. ZDF. (2022) Heavy Mental – Generation Depression?  (Dokumentarfilm).
2 Nier, Hedda (2019): Die größten Trigger für psychische Probleme, zitiert nach Statista, Abruf am 22.02.2024
3 Suhr, Frauke (2020): Die häufigsten psychischen Erkrankungen, zitiert nach Statista, Abruf am 22.02.2024
4 Kampnagel in Hamburg hat einige barrierefreie Angebote, auch für Menschen mit unsichtbaren Barrieren