Abgeordnete – Rechte und Pflichten
Dem ganzen Volk verpflichtet
Nach der Verfassung vertreten die Mitglieder des Landtages das ganze Volk – nicht nur ihre eigenen Wählerinnen und Wähler. Sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden, sondern ausschließlich ihrem Gewissen unterworfen. Wer in ein Parlament gewählt wird, soll frei von Zwang und Einschüchterung politisch handeln dürfen. Vor diesem Hintergrund gibt es für Abgeordnete besondere Pflichten, aber auch spezielle Schutzrechte.
Die Pflichten der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger:
-
Sie sind zur Mitwirkung und Teilnahme verpflichtet, insofern sind die Teilnahme- und Mitwirkungsrechte (wie unten beschrieben) gleichzeitig auch Pflichten der Abgeordneten.
-
Sie haben die Pflicht, die Ordnung im Parlament zu wahren. Die Ordnung wird von der Landtagspräsidentin durchgesetzt.
-
Für Mitglieder des Landtages gilt das Zuwendungsverbot.
-
Sie müssen das Missbrauchsverbot beachten und Unvereinbarkeiten mit dem Mandat ausschließen.
Wer Pflichten hat, braucht Rechte
Diese Abgeordnetenrechte sollen die Mitglieder des Landtages vor der Willkür der Staatsmacht und ihrer Strafverfolgungsbehörden schützen, aber auch vor dem Druck, den einflussreiche Dritte auf Abgeordnete ausüben könnten. Einige dieser Rechte haben eine lange Tradition. Das Recht auf Unverletzlichkeit (Immunität) etwa reicht auf den Beginn der Französischen Revolution im Juni 1789 zurück. Damals befürchteten die Delegierten der soeben konstituierten Nationalversammlung, dass König Ludwig XVI. sie verhaften lassen würde. Ihr daraufhin gefasster Beschluss, dass Abgeordnete unverletzlich seien, bedeutete nicht, dass diese ungestraft Verbrechen begehen durften. Die Nationalversammlung behielt sich vor, eine Untersuchung gegen einen Abgeordneten selbst zu führen oder – bei Ergreifung auf frischer Tat – nach Einsicht in das gerichtliche Untersuchungsverfahren zu entscheiden, ob eine Anklage begründet ist. Dieser Beschluss der Nationalversammlung vom 26. Juni 1790 gilt als Geburtsstunde des Immunitätsrechts, das bis heute fortgilt. Die umfassenden Schutzrechte sind allerdings kein Freibrief für Abgeordnete: Der Landtag kann eines seiner Mitglieder wegen gewinnsüchtigen Missbrauchs seiner Abgeordnetenstellung vor dem Staatsgerichtshof anklagen. Entscheidet der Staatsgerichtshof im Sinne der Anklage, so verliert das angeklagte Parlamentsmitglied sein Mandat.
Schutzrechte
Ein Mitglied des Landtages darf nicht wegen einer Äußerung, die es im Plenum, in einem Ausschuss oder in einer Fraktion getan hat, zur Rechenschaft gezogen werden. Dieser Schutz gilt nicht für verleumderische Beleidigungen. Die Indemnität soll den freien Austausch von Meinungen im Parlament schützen.
Wegen einer Straftat darf ein Mitglied des Landtages nur mit Genehmigung des Parlaments zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, der oder die Betroffene wird bei Begehung der Tat, spätestens bis zum Ablauf des folgenden Tages festgenommen. Für Mandatsträgerinnen und Mandatsträger ist dieses Schutzrecht allerdings vielfach eher eine Last als ein Privileg, da über die Aufhebung der Immunität in öffentlicher Sitzung – und damit vor den Augen und Ohren der Öffentlichkeit – entschieden wird. Mit der Aufhebung der Immunität geht längst nicht einher, dass der- oder diejenige auch tatsächlich schuldig ist oder verurteilt wird. Die Immunität dient vor allem der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit des Parlamentes.
Mitglieder des Landtages sind berechtigt, über Personen, die ihnen als Mitglied des Landtages oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, das Zeugnis zu verweigern. Das gilt auch für die Tatsachen selbst.
Jede Person, die sich um einen Sitz im Landtag bewirbt, hat Anspruch auf den für den Wahlkampf erforderlichen Urlaub. Einmal gewählt, darf niemand gehindert werden, das Mandat anzunehmen und auszuüben. Die Kündigung eines Beschäftigungsverhältnisses aus diesem Grund durch den Arbeitgeber ist unzulässig.
Teilnahme- und Mitwirkungsrechte
Das Teilnahmerecht besagt, dass ein Landtagsmitglied an allen Sitzungen und Abstimmungen des Landtages teilnehmen kann. Allerdings kann die Landtagspräsidentin oder der Landtagspräsident ein Mitglied von einer Sitzung ausschließen, wenn es in dieser dreimal mithilfe eines Ordnungsrufes zur Ordnung gerufen wurde.
Mindestens zehn Abgeordnete können einen Gesetzentwurf oder einen eigenständigen Antrag einbringen, eine Große Anfrage an die Regierung stellen oder einen Antrag zur Änderung der Tagesordnung stellen. Diese Rechte stehen auch den Fraktionen zu.
Durch den Beschluss von 30 Mitgliedern des Landtages wird ein Gesetzentwurf an einen Ausschuss überwiesen.
Ein Fünftel aller Abgeordneten kann verlangen, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) einzusetzen.
Ein Drittel aller Abgeordneten kann ein Misstrauensvotum oder die Auflösung des Landtages beantragen.
Diäten und Tätigkeiten und Einkünfte neben dem Mandat
Fraktionslose Abgeordnete
Abgeordnete, die derselben Partei angehören, schließen sich im Regelfall nach der Wahl im Landtag zu einer Fraktion zusammen – wenn sie gemeinsam die erforderliche Mindestgröße erreichen. Diese parlamentarische Gemeinschaft hilft den Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern, ihre parlamentarische Tätigkeit wirksam auszuüben, Arbeit kann geteilt und Wissen gebündelt werden. Je geschlossener eine Fraktion nach außen auftritt, desto effektiver kann sie ihre Ziele zur Geltung bringen. Allerdings kommt es gelegentlich vor, dass Abgeordnete ihre Fraktionsgemeinschaft wegen unüberbrückbarer politischer Konflikte verlassen. Auch kann es vorkommen, dass sich eine Fraktion auflöst. Die Abgeordneten, die nicht mehr einer Fraktion angehören, behalten dennoch ihr Mandat. Fraktionslose Abgeordnete haben aber weitaus weniger parlamentarische Einflussmöglichkeiten als im Verbund innerhalb einer Fraktion:
- Fraktionslose Abgeordnete haben in den Landtagsausschüssen kein Stimmrecht. Nach der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages haben sie aber das Recht, in einem Ausschuss als beratendes Mitglied vertreten zu sein. Über die Zuordnung entscheidet letztendlich der Ältestenrat des Landtages.
- Rederecht: Sind für die Fraktionen Redezeiten fesgesetzt, sind auch für fraktionslose Abgeordnete zu gewähren.
- Initiativrecht: Fraktionen können Gesetzentwürfe, Entschließungsanträge und andere Beschlussanträge in den Landtag einbringen. Einzelne Abgeordnete dürfen dies auch, benötigen dafür aber mindestens neun weitere Abgeordnete, die ihre Initiative unterstützen.
- Instrumente zur Kontrolle der Landesregierung: Nur Fraktionen können Große Anfragen, Kleine Anfragen in der Fragestunde oder Dringliche Anfragen stellen sowie Themen für die Aktuelle Stunde benennen. Fraktionslose Abgeordnete können Kleine Anfragen zur schriftlichen und zur kurzfristigen schriftlichen Beantwortung durch die Landesregierung einreichen. Bei der Behandlung Dringlicher Anfragen können sie pro Tagungsabschnitt insgesamt eine Zusatzfrage stellen.
- Zusätzliche Ressourcen: Alle Abgeordneten – ob Mitglied einer Fraktion oder nicht – erhalten grundsätzlich die gleichen Leistungen vom Landtag. Darüber hinaus erhalten Fraktionen finanzielle Zuwendungen, um beispielsweise Sachmittel zu beschaffen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anstellen zu können, von deren Arbeit alle Fraktionsmitglieder profitieren. Vergleichbare Zuwendungen für fraktionslose Abgeordnete gibt es nicht.
- Auch an der Sitzordnung im Plenarsaal wird ersichtlich, wenn Abgeordnete nicht in einer Fraktion organisiert sind: Während die Abgeordnete einer Fraktion im Block im Plenum zusammensitzen, sitzen fraktionslose Abgeordnete einzeln im Plenarsaal.