Vom Ihr zum Wir. Flüchtlinge und Vertriebene im Niedersachsen der Nachkriegszeit
Ausstellung im Landtag
27. Oktober bis 4. November und 8. bis 17. November 2021
Die Gründung des Landes Niedersachsen im Jahre 1946 bedeutete nicht nur den Zusammenschluss von vier zuvor selbständigen Regionen, sondern auch die Versorgung von etwa 2 Millionen Menschen, die aus den Ost- und Siedlungsgebieten in den Westen geflohen waren oder dorthin vertrieben wurden. In Zeiten des Mangels, der West- wie Ostdeutsche gleichermaßen traf, war dies eine große Herausforderung. Anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des Landes Niedersachsen wird in der Portikushalle des Landtages die Ausstellung „Vom Ihr zum Wir“ gezeigt, die auf 14 Bannern und anhand ausgewählter Exponate den Beitrag der Flüchtlinge und Vertriebenen am Aufbau des Landes Niedersachsen dokumentiert.
Der Anfang in dem kriegszerstörten Land war schwer. Die Neubürgerinnen und Neubürger konkurrierten mit den Einheimischen um knappe Ressourcen, wie Wohnraum und Nahrung. Gleichzeitig halfen sie durch ihre Arbeitskraft, das Land wieder aufzubauen. Gerade in den Bereichen Wirtschaft und Kultur stellte der Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebene eine Bereicherung für das Land Niedersachsen dar. Religiöse Differenzen trugen schlussendlich zur gelebten Ökumene bei. Die Ankunft der Flüchtlinge und Vertriebenen lässt sich bis heute an vielen Straßennamen mit ostdeutschem Bezug und den neu entstandenen Flüchtlingssiedlungen ablesen.
Die Ausstellung entstand in dem vom Museumsverband für Niedersachsen und Bremen e. V. getragenen Projekt „Herkunft.Heimat.Heute“, das sich der nachhaltigen Sicherung der niedersächsischen Heimatsammlungen aus den historisch ostdeutschen Gebieten widmet. (Mehr Informationen auf der Seite „Herkunft.Heimat.Heute.“ des Museumsverbandes.) Das Projekt wird durch Mittel des Landes Niedersachsen und aus § 96-Mitteln des Bundes finanziert. Projektpartner sind die Landesbeauftragte für Heimatvertriebene, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, Editha Westmann (MdL), und das Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Oldenburg.
Die Ausstellung ist vom 27. Oktober bis 4. November und vom 8. bis 17. November täglich von 09:00 Uhr bis 20:00 Uhr in der Portikushalle des Landtages für die Öffentlichkeit zugänglich.
Copyright Text; MVNB/NR
Postkarte nach einer Bleistiftzeichnung um 1947 von Joseph Andreas Pausewang
Um das Jahr 1947 hat der schlesische Maler Joseph Andreas Pausewang (1908-1955) die Arbeitsatmosphäre in der Ateliergemeinschaft mit Willi Helmes festgehalten. Die Original-Bleistiftzeichnung ist verschollen. Erhalten hat sich das Werk nur als Postkarte, mit der Pausewang Helmes für die Zeit im Atelier von 1947 bis 1948 dankt, die er scherzhaft als „Blüte der Künste“1 bezeichnete.
Die Zeichnung zeigt, wie drei Männer (Viktor Weinlich, links, Ernst Debusmann, Mitte, Pausewang, rechts) in einer Werkstatt an ihren Staffeleien arbeiten. Die Werkstatt gehörte Willi Helmes, der als Malermeister in den 1920er Jahren in Lohne ein Malergeschäft betrieb und als kunstaffin galt.2
Nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigte er die drei Männer, die aus unterschiedlichen Gründen in Not waren: den aus Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten Pausewang, der in Lohne seine aus Schlesien vertriebene Familie wiedergetroffen hatte, den ebenfalls aus Schlesien stammenden Weinlich und den ehemaligen Studienrat Debusmann, der aufgrund seiner Parteizugehörigkeit keine neue Anstellung fand.3 Als Souvenirs wurden die Bilder bekannter Maler kopiert und auf Hartfaserplatten gemalt. Anschließend wurden die Bilder nach Bremerhaven gebracht und dort als Erinnerungsstücke an amerikanische Soldaten verkauft oder gegen Zigaretten eingetauscht.
Pausewang konnte sich mit der Arbeit einen kleinen finanziellen Rückhalt erwirtschaften, der jedoch der Währungsreform zum Opfer fiel. Materielle Not, Ablehnung und Heimatverlust trugen maßgeblich zu seiner Resignation und Verbitterung bei. Am Neujahrsmorgen 1955 erlag der nur 45 Jahre alt gewordene Pausewang in Lohne einem Herzstillstand.
- Ruth Dalinghaus, … aber die Erinnerung bleibt. Joseph Andreas Pausewang (1908-1955). Ein niederschlesischer Maler in Lohne, Lohne 2007, S. 88.
- Er verkehrte mit den Künstlern Heinrich Klingenberg, Peter Ludwigs und Luzie Uptmoor.
- Jürgen Boos, Meine Berührungen mit der Kunst, in: Heimatverein Lohne (Hrsg), LAON, Lohne 2014, S. 66. Boos ist der Enkel von Willi Helmes. Ihm zufolge war Debusmann zuvor Leiter einer Kunstakademie gewesen. Dalinghaus bezeichnet ihn im Katalog auf S. 82 als Studienrat aus Essen.
Impressionen: Ausstellungseröffnung
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